Werner Bandi · Swiss Nudes 1943—1952
Über den 1891 in Thun geborenen und 1964 in Spiez verstorbenen Schweizer Fotografen Werner Bandi wissen wir nur wenig. Einzelne seiner Fotos tauchen ab und zu in Galerien in Paris oder New York auf und werden einem »italienischen Naturisten« zugeordnet oder gleich mit »unbekannter Fotograf« betitelt. Ein Zufallsfund aus dem Jahre 2012, der 100 seiner bis dato unveröffentlichten Fotografien als Diapositive beinhaltet, lädt uns zu einem näheren Kennenlernen und eine Reise in die Geschichte ein.
Werner Bandis Vater war Oberförster in Thun. Als er 1899 stirbt, ist Werner, das jüngste seiner drei Kinder, acht Jahre alt. Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes pachtet Bandis Mutter, die einer wohlhabenden Familie entstammte, die in Spiez am Thunersee gelegene Pension Erica und kauft ein Jahr später das im »Schweizerhäuschenstil« gehaltene Hotel mit 24 Gästezimmern, Rauchsalon, Lesezimmern und weiteren Nebenräumen für damals stolze 88.000 Franken. Spiez ist ein attraktiver Kurort mit zum Teil imposanten Hotelkomplexen, deren Namen Programm sind: Schloss-Hotel Schonegg, Grand Hotel Spiezerhof, Park-Hotel Bubenberg oder Hotel Belvédère & Beau-Rivage. Eine »elektrische Trambahn« verbindet nach der Jahrhundertwende den Bootsanleger am Thunersee mit dem weiter oben gelegenen Bahnhof der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn. Der Kurort mit südlichem Flair ist eine beliebte Sommerfrische mit zum Teil illustren Gästen, von denen viele auch für längere Zeit bleiben.
Der 2. Weltkrieg beendet die Idylle. Mit der Einquartierung des Schweizer Militärs verwahrlosen die Hotelpaläste, und in den 1950ern werden die meisten der prachtvollen Belle-Epoque-Bauten abgerissen. Sie entsprechen nicht mehr dem Zeitgeist, und den neuen, meist motorisierten Gästen des Wirtschaftswunders sind sie nicht komfortabel genug.
Werner Bandi erbt 1951 von seiner Mutter ein schmuckes Chalet und arbeitet als Vertreter und später Prokurist in der Kartonagenfabrik Hoffmann in Thun. Sein viertüriger Dodge Sedan erregt Aufmerksamkeit, denn den imposanten »Amischlitten« wird er kaum von seinem Gehalt bezahlt haben können. Der elegante ältere Herr ist im Städtchen ein Außenseiter und lebt zurückgezogen. Die Anwohner des Kornmattquartiers sehen ihren Nachbarn fast nur abends, wenn er den Hund ausführt; tagsüber erledigt das Hulda, die Haushälterin. Eine ehemalige Nachbarin erzählt, dass man die Kinder damals gewarnt habe, das »Bandi-Haus« oberhalb des Spiezer Bahnhofs zu besuchen, denn an den Wochenenden verkehren bei Werner Bandi ausschließlich junge, gut aussehende Männer.